Biografisches, Traditionen, Bio-Boom
Koppert & Ribbat im Gespräch
Frage: Ihr seid beide Gartenbauingenieure, habt euch aber nicht für eine Beratungs- oder reine Planungstätigkeit entschieden, sondern für die körperlich anstrengende Arbeit als selbständige Gärtner, warum?
Elke Koppert: Als ich heute Morgen mit den zwei Lehrlingen die Ernte auf dem Feld beendete, waren unsere Stiefel bis obenhin mit Lehm verschmiert, so dass wir sie in der nächsten Pfütze grob saubermachen mussten. „In welchem anderen Beruf hat man noch mit 48 Jahren so gute Gründe, in einer Pfütze zu plantschen?“, habe ich geulkt. Draußensein bei Wind und Wetter, zu jeder Jahreszeit, ich mag das.
Roland Ribbat: Das Problem von mangelnder Bewegung, unsinnlicher oder unsinniger Tätigkeit haben wir jedenfalls nicht.
Frage: Gärtnerei Wiesenäcker, das klingt ja auch nach Naturromantik und Grünidyll. Tatsächlich befindet sich der Betrieb aber in den „Schläuchen“.
Roland Ribbat: Glücklicherweise lagen die Anfänge unserer Gärtnerei in den „Wiesenäckern“, so dass die „Schläuchen“ als Betriebsname nie zur Diskussion standen. Als wir vor 20 Jahren anfingen, haben wir keinen bestehenden Betrieb übernommen, sondern uns selbst einen zusammengestellt: hier ein gepachteter Acker, dort ein Folientunnel von den Eltern, den alten Gewölbekeller unter unserem Wohnhaus als Lagerraum, und in den Wiesenäckern war unser Gewächshaus. Das war zwar zusammengestückelt, auch umständlich, hat aber erstaunlich gut funktioniert.
Nebenbei bemerkt: Die „Wiesenäcker“ grenzen heute an mehrstöckige Wohngebäude, der Flurname erinnert daran, dass hier westlich des Mühlbachs bis ins 19. Jahrhundert hinein Wiesen waren. Und das Wort „Schläuchen“ kommt von schleich = Schweinesuhle und bezeichnet fruchtbares Ackerland auf angeschwemmtem Boden.
Frage: Das klingt schwierig – eine neue Gärtnerei in einem voll besetzten Anbaugebiet aufziehen und dann noch die einzige ökologisch wirtschaftende?
Elke Koppert: Ja, aber in den letzten Jahrzehnten wurden viele Betriebe aufgegeben. Das frei werdende Ackerland ist zwar sofort verpachtet, aber ich bin hier aufgewachsen, meine Eltern hatten hier einen Betrieb, dadurch kamen wir an Gelände heran. Als meine Eltern ihr Rentenalter erreichten, haben wir deren Gemüsebetrieb mit übernommen und damit natürlich eine Familientradition weitergeführt. Meine Vorfahren haben auf diesem Flecken nachweislich seit über 300 Jahren Landwirtschaft betrieben.
Frage: Ihr habt also einerseits selbst etwas aufgebaut, macht „euer Ding“, andererseits habt ihr etwas Bestehendes übernommen und führt damit eine Tradition fort.
Elke Koppert: Das war für mich ganz wichtig. So hatte ich nie das Gefühl, mich ins „gemachte Nest“ zu setzen.
Roland Ribbat: Wir sind tatsächlich aber auch in mancher Hinsicht traditionell. Einmal wegen der althergebrachten Arbeitsweisen, wie zum Beispiel Unkraut hacken und mit organischem Dünger düngen. Auch der Verkauf auf dem örtlichen Markt ist ja ziemlich archaisch.
Frage: Und du, Roland, stammst du auch aus „altem Bauerngeschlecht“?
Roland Ribbat: Nein, überhaupt nicht! Ich komme aus einer Pfarrersfamilie, generationenlang väterlicher- und mütterlicherseits Pfarrer. Ich wollte aber schon immer praktisch arbeiten – und das Ergebnis sollte essbar sein, also kam nur Landwirtschaft oder Gartenbau in Frage. Und umweltverträglich sollte es sein.
Frage: Genau das wollte ich gern wissen: Wie kommt man eigentlich zum Bio-Anbau?
Roland Ribbat: Ende der Siebziger, als ich mir über die Berufswahl Gedanken machte, herrschte Aufbruchstimmung: Demonstrationen gegen Atomkraftwerke und die Verseuchung von ganzen Landstrichen durch Gift wie in Seveso, die Schwermetallbelastung der Flüsse wurde bekannt, die Grünen wurden gegründet, das Waldsterben entdeckt. Die Lage war dramatisch, die Stimmung oft noch dramatischer, als ob die Vögel tot von den Bäumen fielen und es nur noch darum ging, das letzte Apfelbäumchen zu pflanzen. Trotzdem, da wollte ich aussteigen, aber sozusagen von der Pike auf. Nach dem Abitur bin ich sofort in die grüne Latzhose gestiegen und habe eine Lehre auf einem Obsthof begonnen.
Elke Koppert: Ich bin eher vom anderen Ende gekommen. Ich konnte mir alles vorstellen, nur nicht Gemüsegärtnerin zu werden und womöglich noch den Betrieb von meinen Eltern zu übernehmen. Wie das sein würde, habe ich bei meinen Eltern täglich gesehen: Stress bis zum Umfallen, schlechte Bezahlung, nicht nur Abhängigkeit vom Markt, sondern noch dazu vom Wetter. Dennoch hatte ich ein großes Interesse an Pflanzen, und so fing ich eine Ausbildung im Botanischen Garten Heidelberg an. Und absolvierte anschließend sogar ein Gartenbaustudium.
Roland Ribbat: Beim Gartenbaustudium an der Fachhochschule in Geisenheim am Rhein haben wir uns übrigens kennen gelernt.
Frage: Klingt ja alles sehr organisch und nach einer bewusst gewählten Lebenssituation. Und jetzt profitiert ihr vom Bio-Boom?
Elke Koppert: Na ja. Allgemein ist der Umsatz von Waren mit Bio-Labeln gestiegen. Gleichzeitig kam es aber zu einem deutlichen Rückgang der Preise, denn was rapide zunimmt, ist die Nachfrage nach ökologischer Billigware. Wir stehen als Bioland-Gärtnerei in direkter Konkurrenz mit Anbauern im In- und Ausland, die weniger strenge Standards einhalten, zum Beispiel beim EG Bio-Siegel.
Roland Ribbat: Um das mal an einem kleinen Beispiel zu zeigen: Zeitweise richten Schnecken bei uns große Schäden an. Die Bioland-Richtlinien erlauben gegen Schneckenfraß nur das wenig wirksame Eisen-lll-Phosphat, es hat den Vorteil, dass es andere Tiere wie Kröten nicht schädigt. Für diese Zurückhaltung bei der Anwendung von Wirkstoffen gibt es gute Gründe. Das Label EG-Bio erlaubt dagegen ein konventionelles Schneckenkorn (Metaldehyd), in seiner Wirkung wesentlich effektiver gegen Schnecken, aber eben auch tödlich bei anderen Tieren. Je nach Anbaurichtlinie sind die Ernteausfälle also unterschiedlich hoch, was sich in den Produktionskosten niederschlägt.
Ein weiteres Beispiel ist der Fruchtwechsel, der bei Bioland sinnvollerweise zur Regeneration des Bodens vorgeschrieben ist, aber unsere Produktion verteuert, weil immer ein Drittel bis ein Viertel der Fläche brach liegt bzw. mit Gründüngung eingesät ist.
Frage: Ihr habt also nichts vom Bio-Boom? Kann ich mir nicht vorstellen.
Elke Koppert: Wir erleben zur Zeit im ökologischen Landbau im Schnellverfahren den Verdrängungs- und Unterbietungswettbewerb, der allgemein in der Landwirtschaft über Jahrzehnte stattfand. Unter Ökologisch verstehen wir ja nicht nur Verzicht auf Gifteinsatz, sondern auch nachhaltige Bodennutzung, sozialverträglicher Anbau, also keine illegalen Arbeitskräfte, die zu absoluten Dumpinglöhnen, ohne Krankenversicherungsschutz usw. arbeiten. Ökologisch heißt für uns auch: Die Transportwege kurz halten, möglichst viele Arten und Sorten anbauen, um einerseits die Kundschaft mit dem Gemüse und Obst der Jahreszeit versorgen zu können und andererseits den Boden zu schonen. Bisher war der ökologische Anbau eine Nische für ein umwelt- und sozialverträgliches Konsum- und Produktionsverständnis. Das ändert sich jetzt.
Roland Ribbat: Bisher haben wir den Preisrückgang durch Betriebsausweitung aufgefangen und dadurch, dass wir nichts mehr anbauen, was maschinell zu pflegen und zu ernten ist, z.B. Möhren oder Kartoffeln, denn das machen andere billiger.
Unsere Stärke liegt ganz klar in der verlässlich hohen Qualität unseres Gemüses und Obstes, eine Qualität, wie sie nur durch viel Handarbeit zu erreichen ist, von der Aussaat bis zur Ernte.
Elke Koppert: Es macht uns auch eine Umstrukturierung des Bio-Marktes zu schaffen: Der Großhandel bekämpft teilweise die Direkt- und Regionalvermarktung, zum Beispiel, indem er Salatgurken aus Spanien hier zu einem Preis anbietet, mit dem kein regional einkaufender Marktbeschicker konkurrieren kann. Denn die spanischen Gurken werden nach weniger strengen EG-Bio-Richtlinien produziert und von billigen, z.T. illegalen Arbeitskräften geerntet.
Frage: Hört sich nicht gut an. Wie seht ihr eure Zukunft im „Bioland“?
Roland Ribbat: Also, wir sind keine Masochisten. Aber solange es geht, werden wir weitermachen. Jeder Tag eine neue Herausforderung!
Elke Koppert: Bisher haben wir uns stets erfolgreich auf neue Situationen einstellen können. Dennoch gehen wir nicht davon aus, dass unsere Kinder den Betrieb später weiterführen werden. Wir arbeiten extrem viel, mir ist es allerdings immer noch die liebste Arbeit. Mich fasziniert die Arbeit mit Pflanzen und diese Faszination hat immer noch nicht nachgelassen.